Aufmerksamkeitslenkung und Aufmerksamkeitsfokussierung
Wirkungsvolle Instrumente in der Selbstentwicklung und Psychotherapie
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Aufmerksamkeitslenkung und Aufmerksamkeitsfokussierung sind zentrale Werkzeuge sowohl für persönliches Wachstum als auch in der psychotherapeutischen Praxis. Diese Fähigkeiten ermöglichen es, persönliche Entwicklungsprozesse gezielt zu fördern und psychische Belastungen zu reduzieren.
Begriffsklärung:
- Aufmerksamkeitslenkung: Die bewusste Steuerung der Aufmerksamkeit weg von belastenden hin zu neutralen oder positiven Reizen
- Aufmerksamkeitsfokussierung: Die gezielte Konzentration auf bestimmte Aspekte der Umgebung oder des eigenen Erlebens
Anwendung in der Selbstentwicklung
Durch die bewusste Steuerung der Aufmerksamkeit können verschiedene Aspekte der Selbstentwicklung gefördert werden:
1. Selbstreflexion:
- Hilft, den aktuellen Zustand bewusst wahrzunehmen
- Ermöglicht das Erkennen hinderlicher Muster
- Unterstützt die Einleitung gezielter Veränderungen
- Wird durch Techniken wie Journaling oder Meditation gefördert
2. Bewusste Wahrnehmung:
- Intensiviert das Erleben durch absichtliche Beobachtung von Gedanken und Gefühlen
- Erleichtert das Loslassen alter Muster
- Fördert die Entwicklung neuer Perspektiven
Praktische Übungen zur Aufmerksamkeitsschulung im Alltag
Diese Übungen können leicht in den Alltag integriert werden und fördern nicht nur die Konzentration, sondern auch emotionale Regulation und Stressbewältigung:
1. Sensorische Übungen:
- 5-4-3-2-1-Methode: Zählen Sie Dinge, die Sie sehen, hören und fühlen
- Bewusstes Lauschen: Achten Sie auf Umgebungsgeräusche und benennen Sie diese im Detail
2. Atemübungen:
- Tiefes Ein- und Ausatmen mit Zählen bis fünf
- Atementfaltung: Sanfte Aufmerksamkeit auf den Atem richten, ohne ihn zu verändern
3. Körperbezogene Übungen:
- Progressive Muskelentspannung PME
- Body Scan: Systematisches Lenken der Aufmerksamkeit durch den Körper
- Fixieren eines Punktes oder Objekts mit voller Aufmerksamkeit
- Gezielte Suche nach bestimmten Objekten in einem Bild, Raum oder Text
5. Kognitive Übungen:
- Vorstellungsübungen: Visualisieren friedlicher Szenen
- Aufmerksamkeitswechsel: Bewusstes Wechseln zwischen zwei Aufgaben
- Pomodoro-Technik: 25 Minuten konzentrierte Arbeit, gefolgt von 5 Minuten Pause
6. Unterstützende Hilfsmittel:
- Rhythmische und strukturierte Musik zur Steigerung anhaltender Aufmerksamkeit
Therapeutische Anwendung bei psychischen Störungen
1.- Bei sozialer Phobie und selbstunsicherer Persönlichkeitsstörung
Mechanismen:
- Reduktion von Selbstfokussierung und übermäßiger Überwachung körperlicher Angstsymptome
- Abbau negativer Selbstbewertungen und Grübelneigung
- Förderung sozialer Wahrnehmung und Kompetenz
Praxisbeispiel: Firmenpräsentation
- Unterbrechung des Fokus auf angstauslösende Gedanken
- Verhinderung der Überwachung körperlicher Angstsymptome
- Stärkung der Verbindung zum Publikum durch bewusstes Wahrnehmen interessierter Gesichter
2.- Bei Depressionen und Angststörungen
Anwendungsbereiche:
* Förderung der Gefühlswahrnehmung bei verdrängten Emotionen
* Verbesserung der Emotionsregulation
* Unterbrechung von Symptomkreisen (z.B. bei somatischen Symptomen)
Bei traumatischen Erfahrungen
Ansätze:
- Bilaterale Aufmerksamkeitslenkung (z.B. EMDR)
- Wechsel zwischen Fokussierung auf belastende Empfindungen und neutralen Körperbereichen
- Orientierungsübungen zur Verankerung im Hier und Jetzt bei Dissoziation
Therapeutische Ansätze mit Fokus auf Aufmerksamkeitssteuerung
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1. Achtsamkeitsbasierte Verfahren (MBSR, MBCT):
- Vermitteln nicht-wertender Beobachtung von Gedanken, Gefühlen und Körperempfindungen
2. Focusing-Technik (Eugene T. Gendlin):
- Richtet innere Aufmerksamkeit auf das körperliche Empfinden ("Felt Sense")
- Fördert bewusstes Wahrnehmen und Symbolisieren von Empfindungen
- Zielt auf einen "Felt Shift" – eine spürbare Entspannung und Klarheit
3. Expositionstherapie:
- Bewusste Hinwendung zu angstauslösenden Reizen zur Förderung der Habituation
4. Körperorientierte Verfahren:
- Body Scan
- Wechsel der Aufmerksamkeitsfokussierung zwischen belastenden und neutralen Körperbereichen
Bedeutende Psychotherapeuten und ihre Beiträge zur Aufmerksamkeitssteuerung
1. Aaron T. Beck (Kognitive Therapie):
- Aufmerksamkeitslenkung auf automatische Gedanken und kognitive Verzerrungen
2. Albert Ellis (Rational-Emotive Verhaltenstherapie, REVT):
- Umlenken der Aufmerksamkeit von irrationalen zu rationaleren Perspektiven
3. Zindel Segal, Mark Williams & John Teasdale (MBCT):
- Förderung der nicht-bewertenden Wahrnehmung von Gedanken im gegenwärtigen Moment
4. Adrian Wells (Metakognitive Therapie, MCT):
- Attention Training Technique (ATT) zur flexiblen Steuerung der Aufmerksamkeit
5. David M. Clark (Kognitive Therapie für soziale Angst und Panikstörung):
- Verlagerung der Aufmerksamkeit von inneren Bedrohungssignalen auf neutrale oder externe Reize
6. Steven C. Hayes (Akzeptanz- und Commitment-Therapie, ACT):
- Bewusste Aufmerksamkeit auf gegenwärtige Erfahrungen und Werte-basiertes Handeln
7. Christine A. Padesky (Kognitive Verhaltenstherapie, Resilienztraining):
- Lenkung der Aufmerksamkeit auf positive persönliche Stärken
8. Paul Gilbert (Compassion-Focused Therapy, CFT):
- Fokussierung auf mitfühlende Gedanken und Körperempfindungen
9. Edna Foa (Prolonged Exposure Therapy, PET):
- Gezielte Lenkung der Aufmerksamkeit auf angstauslösende Reize
10. Lars-Göran Öst (One-Session-Treatment bei Phobien):
- Steuerung der Aufmerksamkeit auf angstauslösende Situationen zur Überwindung von Vermeidungsverhalten
Wirksame Mechanismen der Aufmerksamkeitssteuerung
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1. Bewusstmachen automatischer Gedanken und Muster:
- Erhöht die Selbstwahrnehmung für automatische, oft verzerrte Denkprozesse
- Schafft inneren Abstand zu belastenden Gedanken
- Ermöglicht das Erkennen kognitiver Verzerrungen
2. Verlagerung der Aufmerksamkeit von Bedrohung zu Neutralität oder Sicherheit:
- Reduziert Übererregung im Nervensystem
- Fördert das Erleben von Sicherheit im Körper
- Unterbricht aufrechterhaltende Aufmerksamkeitsmuster bei Angstsymptomen
3. Aufmerksamkeitsflexibilität und kognitive Entkopplung:
- Verringert Grübeln und Sorgen
- Steigert mentale Flexibilität
- Fördert die Distanzierung von Gedanken
4. Förderung der Wahrnehmung verdrängter Gefühle und Körperempfindungen:
- Erleichtert den Zugang zu verdrängten Emotionen
- Unterstützt emotionale Nachreifungsprozesse
- Fördert Selbstmitgefühl und Akzeptanz
5. Achtsamkeit: Aufmerksamkeit im Hier und Jetzt:
- Unterbricht automatische Reaktionsmuster
- Stärkt die Fähigkeit zum Aushalten unangenehmer Empfindungen
- Fördert Gelassenheit und Akzeptanz
6. Nutzung der Aufmerksamkeit für Ressourcenaktivierung:
- Aktiviert positive emotionale Zustände
- Erhöht Selbstwirksamkeit
- Beruhigt das Bedrohungssystem im Gehirn
7. Bilaterale Aufmerksamkeitslenkung bei Trauma:
- Unterstützt die Neu-Verarbeitung traumatischer Erinnerungen
- Hilft bei der Desensibilisierung emotionaler Belastungen
- Erleichtert eine neue Bedeutungserarbeitung
8. Aufmerksamkeitslenkung als Exposition:
- Fördert Habituation
- Reduziert Vermeidungsverhalten
- Korrigiert Fehlinterpretationen körperlicher Signale
Aufmerksamkeitssteuerung WIE
1. Wie steuert ein Mensch seine Aufmerksamkeit?
- Durch innere Selbstinstruktion
- Durch sensorische Verankerung
- Durch gedankliche Fokussierung
- Durch wiederholtes Zurücklenken bei Abschweifungen
2. Wie profitiert man von dieser Steuerung?
- Unterbrechung automatischer Muster
- Veränderung emotionaler Reaktionen
- Entwicklung besserer Selbstwahrnehmung
- Beruhigung des Nervensystems
- Training mentaler Flexibilität
Warum Aufmerksamkeitssteuerung psychotherapeutisch wirksam ist
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- Aufmerksamkeit bestimmt Erleben: Was beachtet wird, prägt maßgeblich die Wahrnehmung der Realität.
- Unterbrechung automatischer Muster: Gezielte Aufmerksamkeitslenkung schafft eine Pause zwischen Reiz und Reaktion.
- Förderung von Bewusstsein und Wahlfreiheit: Bewusst gesteuerte Aufmerksamkeit eröffnet neue Reaktionsmöglichkeiten.
- Neurobiologische Effekte: Aufmerksamkeitslenkung beeinflusst das autonome Nervensystem und die emotionale Verarbeitung.
- Integration von Körper und Geist: Die Fokussierung auf Körperempfindungen fördert emotionale Integration.